Vor einigen Jahren haben meine Kollegen1) eine Studie zur Produktivität in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Bildschirmfläche durchgeführt. Immer wieder kommt dabei die Frage auf, ob sich das Arbeiten mit mehreren Bildschirmen (Multi-Monitor Settings) auch für einfachere, von Routine geprägten Tätigkeiten eignet? Bevor ich auf diese Frage eingehe, aber zunächst einmal einige Hintergründe zu dieser Studie.
Setting der Studie und Ergebnisse
Im Rahmen der Studie bekamen die Probanden einen Lückentext vorgelegt, den es zu vervollständigen galt. Hierzu standen weitere Dokumente zur Verfügung, in denen die fehlenden Informationen zu finden waren. Prinzipiell also eine typische Aufgabe für einen Wissensarbeiter: Informationen bzw. Wissen aus verschiedenen Quellen zu neuem Wissen zusammen zu fügen.
Die Probanden wurden in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Bildschirmen bzw. ein anderes Bildformat zur Verfügung hatten. Zu zwei Zeitpunkten wurde dann gemessen, wie viele Punkte pro Minute die Probanden lösen konnten. Folgende Bildschirm-Settings waren vorhanden:
- Ein 19-Zoll Bildschirm im Format 4:3
- Ein 19-Zoll Bildschirm Widescreen-Bildschirm im Format 16:10
- Drei 19-Zoll Bildschirme
Anmerkung: Die Studie wurde im Jahr 2009 durchgeführt, daher kamen nur 19-Zoll Bilschirme zum Einsatz.
Wie man sehen kann, steigt durch die Erhöhung der zur Verfügung stehenden Bildschirmfläche die Produktivität deutlich an.
Zum Zeitpunkt T1, also kurz nach Start des Experimentes, lagen alle drei Gruppen noch relativ nahe beieinander. Die Gruppe mit den drei Bildschirmen war sogar etwas schlechter als die beiden anderen Gruppen. Die Ursache hierfür ist in der Eingewöhnung an dieses Setting zu sehen. Wer erstmals vor mehreren Bildschirmen sitzt, benötigt erst einige Zeit, um sich umzugewöhnen. Dass die Maus plötzlich von einem Bildschirm auf den anderen wandert und Fenster in voller Bildschirmgröße nebeneinander angezeigt werden können, ist im ersten Moment nicht ganz so trivial wie es vielleicht erscheinen mag.
Vergleicht man den 19-Zoll Standard-Bildschirm mit einem Wide-Screen, ist der Anstieg der Produktivität noch relativ moderat, aber auch deutlich messbar. Die Probanden mit den drei Bildschirmen waren jedoch zum Zeitpunkt T2 um 35,5% besser als die Probanden mit dem 19-Zoll Standard-Bildschirm. Vergleicht man die Leistungen der Gruppe mit den drei Bildschirmen zum Zeitpunkt T1 und zum Zeitpunkt T2, so erhöhte sich die Produktivität sogar um fast 50%.
Warum mit mehreren Bildschirmen arbeiten?
Wie erklären sich die Ergebnisse der Studie? Zum einen hat man die Möglichkeit mehr Inhalte mit einer kurzen Kopfdrehung zu erfassen. Anstatt umständlich mit der Maus ständig zur Taskleiste zu fahren bzw. die Tastenkombination [ALT] und [TAB] zum Umschalten zwischen einzelnen Anwendungs-Fenstern nutzen zu müssen, hat man alle aktuellen Dokumente schnell im Blick und muss nur mit der Maus hin und her fahren, den Fokus auf das Fenster neu setzen und weiter geht es.
Ein weiterer Effekt besteht darin, dass man deutlich fokussierter arbeiten kann. Angenommen man hat neben den beiden zu bearbeitenden Dokumenten noch einen Browser offen, wo man zuletzt eine Seite geöffnet hatte, die weniger mit der eigentlichen Arbeit zu tun hatte. Also sowas wie Facebook, Twitter, News-Seiten, etc. Gelegentliche Ablenkung tut ja auch mal ganz gut und darf ja auch sein. Wenn man dann aber fokussiert weiterarbeiten möchte und bei nur einem Bildschirm immer mit [ALT]+[TAB] zwischen den Fenstern umschaltet, passiert es schnell dass der Browser wieder in den Vordergrund kommt. Und zack – schon ist die Konzentration weg.
Wie viele Bildschirme braucht man jetzt an seinem Arbeitsplatz?
Heutzutage sind Bildschirme mit einer Größe von 24-Zoll schon fast der Standard. Wie die Praxis zeigt, sind daher für viele Aufgabenstellungen auch zwei Bildschirme ausreichend. V.a. weil irgendwann der Schreibtisch auch der limitierende Faktor sein dürfte. Alternativ kann es auch ein größerer Bildschirm sein, auf dem zwei Dokumente / Anwendungen kmfortabel nebeneinander angezeigt werden können. Prinzipiell eignet sich das Setting aus zwei einzelnen Bildschirnmen jedoch besser, da bei zahlreichen Anwendungen das eigentliche Dokument oft im Querformat angezeigt wird (z. B. Powerpoint, Bildbearbeitung, Videoschnitt, usw.).
Übrigens: aus ergonomischen Gründen sollte man tatsächlich zwei gleiche Bildschirme nutzen. Den Bildschirm des Notebooks als zweiten Bildschirm einzusetzen ist nicht zu empfehlen, da man den Kopf ständig verdrehen muss.
Braucht es auch für Routine-Tätigkeiten einen zweiten Bildschirm?
Wie auch schon zuvor geschrieben, helfen mehrere Bildschirme dabei fokussierter zu bleiben. Das gilt auch, wenn man relativ wenig zwischen verschiedenen Anwendungen wechseln muss. Auch hier zeigt die Praxis, dass der zweite Bildschirm viel wert sein kann. Nehmen wir das Beispiel einer Assistenz dieTerminvorschläge für ein Meeting verschicken soll. Auf dem einen Bildschirm ist der Email-Editor geöffnet, auf dem anderen der Kalender des Chefs und/oder der Mitarbeiter. Die lästige Hin- und Herschalterei entfällt sofort. Gleiches gilt, wenn gerade beim Verfassen eines Dokumentes ein Anruf hereinkommt und nach der Verfügbarkeit des Chefs gefragt wird. Ist der Kalender auf dem zweiten Bildschirm ständig präsent, kann man deutlich schneller antworten und muss nach Beendigung des Anrufs nicht wieder zwischen den Programmen umschalten. Ähnliches gilt beispielsweise auch für eine Sachbearbeiter-Tätigkeit, bei der ein Programm fast immer präsent sein muss, z. B. eine SAP Oberfläche oder ein Customer Relationship Management System.
Quelle
1) Haner, U.-E., Spath, D., Bauer, W., Leuteritz, J.-P., Hofmann, S., Dreharov, N.: Visualisierung am Arbeitsplatz – Ein signifikantes Innovations- und Produktivitätspotential, in: Bericht zum 56. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft GfA, 2010