Ist Sitzen das neue Rauchen? Wie man sich im Arbeitsalltag mehr bewegen kann

Der demografische Wandel, der auch zu einem steigenden Durchschnittsalter der Beschäftigten führt, stellt eine große Herausforderung für die Arbeitsgestaltung dar, weil mit zunehmendem Alter die durchschnittliche Erkrankungsdauer ansteigt. Eine große Rolle spielen dabei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (DAK, 2014).

Kein Wunder, bei rund 80.000 Stunden, die ein durchschnittlicher Büroarbeiter sitzend verbringt und dabei seine Bandscheiben – abhängig von der Sitzhaltung – um 40-100% mehr belastet als im Stehen (Spath et al., 2011).

Aber nicht nur der Rücken verursacht Probleme, wenn man zu lange auf seinen vier Buchstaben sitzt. Verschiedene Studien vergleichen mitlerweile die Folgen zu langen und häufigen Sitzens mit denen des Rauchens. So sollen Menschen die häufig im Sitzen arbeiten ein doppelt so hohes Risiko für Herzerkrankungen oder eine Thrombose haben als stehend arbeitende. Wer mehr als 23 Stunden in der Woche in sitzender Position verbringt soll ein um 64% erhöhtes Risiko haben, an einer Herzkrankheit zu sterben (Hamilton et al., 2008).

Sitzen Büro

Bildquelle: Pixabay

Zu langes und häufiges Sitzen verlangsamt zudem den Stoffwechsel. Nach rund einer Stunde in sitzender Position sinkt die Produktion von Enzymen, die bei der Verarbeitung von Zucker oder zur Fettverbrennung gebraucht werden, um bis zu 90 Prozent.
Was kann man also tun, um den schädigenden Wirkungen zu langen Sitzens entgegenzuwirken?

Ergonomischer Arbeitsstuhl

Ein guter Arbeitsstuhl ist in jedem Büro das A und O und die Grundlage, um v.a. die Wirbelsäule zu entlasten. Ein guter Bürostuhl sollte möglichst viele Sitzhaltungen ermöglichen und so Ermüdungserscheinungen der am Sitzen beteiligten Muskelgruppen reduzieren. Der Stuhl sollte eine hohe und in der Neigung verstellbare Rückenlehne haben und über eine Synchronmechanik verfügen. Das bedeutet, dass sich bei nachgebender Rückenlehne die Sitzfläche leicht nach oben verschiebt. Für unterschiedliche Bein- und Oberkörperlängen sowie Körpergewichte sollten Sitzhöhe und Gegendruck der Rückenlehne einfach einzustellen sein.

Höhenverstellbarer Schreibtisch

Ein Schreibtisch, der einfach und schnell – z. B. durch eine elektromotorische Höhenverstellung – von Sitz- auf Stehhöhe gebracht werden kann, ist ein weiteres Mittel, damit Mitarbeiter ihre Wirbelsäule regelmäßig entlasten können. Eine elektromotorische Höhenverstellung empfiehlt sich aller Erfahrung nach gerade deshalb, weil sie nicht nur komfortabler als Systeme mit Gasruckfeder zu bedienen sondern auch exakter einzustellen sind.

Manche Aufgaben funktionieren zudem im Stehen besser. Beispielsweise das Lesen von Dokumenten.

Abwechslungsreiche, aufgabenorientierte Arbeitsumgebung

Mehr Bewegung und Abwechslung können nicht nur im kleinen Rahmen durch die Gestaltung des eigentlichen Arbeitsplatzes gefördert werden sondern noch viel stärker im Arbeitsalltag integriert werden, indem das Büro so konzipiert wird, dass die Mitarbeiter dazu animiert werden, sich immer wieder andere Arbeitsplätze zu suchen. Andere Arbeitsplätze, die jeweils unterschiedliche Tätigkeiten unterstützen. Beispielsweise Besprechungsecken oder Kaffee-Lounges, in denen man sich mit Kollegen kurz im Stehen abstimmen kann oder Projekträume, in denen man an den Wänden großflächig arbeitet.

Ergänzend sollte man gewisse Funktionen, wie beispielsweise die Kaffeeküche, Drucker oder den Büromittelschrank zentralisieren, so dass man gezwungen ist aufzustehen und einen gewissen Weg zu gehen. Manche Firmen gehen sogar so weit und schaffen die Papierkörbe am Arbeitsplatz ab, damit man sich bewegt. Diese Vorgehensweise hat nicht nur den Vorteil, dass man sich mehr bewegt sondern erhöht auch die Chance für zufällige Begegnungen und Interaktionen zwischen den Mitarbeitern.

Abwechslung in den Arbeitsalltag integrieren

Letztendlich ist es wichtig, dass man genügend Belastungswechsel in den Arbeitsalltag integriert. Eine vielfältige Arbeitsumgebung mit variabel nutzbaren Arbeitsmöglichkeiten kann ganz automatisch dazu führen, dass sich die Mitarbeiter mehr bewegen. Haben Mitarbeiter die Möglichkeit, andere attraktive Arbeitsplätze abseits des “normalen Schreibtisches” zu nutzen, werden die meisten das auch tun. Zu Hause nutzt man ja auch nicht die Küche zum Kochen und stellt dort zusätzlich sein Bett, seinen Schreibtisch und sein Sofa auf. Auch hier nutzt man verschiedene Räume, die allesamt unterschiedliche Funktionen erfüllen.

Besprechungsräume oder Besprechungsecken bei denen man kurze Meetings auch mal im stehen durchführen kann sind ebenfalls ein relativ einfach umsetzbares Mittel.

Und wenn man sich sowieso nur austauschen möchte und keine Arbeitsmittel für die Besprechung benötigt, kann man auch mal nach draußen gehen und gemeinsam einen kleinen Spaziergang machen und dabei Ideen austauschen. Steve Jobs bevorzugste Form des Meetings waren Spaziergänge, wie in seiner autorisierten Biografie nachzulesen ist (Isaacson, 2012)

Meetings im Gehen - Spaziergang als Alternative zum Besprechungsraum
Meetings im Gehen – Spaziergang als Alternative zum Besprechungsraum – Bildquelle: Pixabay

Und was ist mit den Kosten?

Viele Arbeitgeber scheuen sich vor den Kosten, die beispielsweise ein elektrisch höhenverstellbarer Schreibtisch und ein höherwertigerer Bürostuhl mit sich bringen.

Dem kann man eine einfache Rechnung gegenüberstellen: Ein elektrisch höhenverstellbarer Schreibtisch ist für ca. 800 Euro zu erwerben. Da der Schreibtisch ein längerfristig genutztes Wirtschaftsgut ist, wird er bei der Steuer auch über 10 Jahre abgeschrieben (Abschreibung für Abnutzung). D.h. in den Büchern schlägt er sich mit 80 Euro pro Jahr nieder. Geht man von rund 250 Euro aus, die ein Arbeitgeber für seinen Mitarbeiter am Tag ausgeben muss (Gehalt, Sozialabgaben, Miete für den Arbeitsplatz etc.) und fällt dieser Mitarbeiter auch nur einen Tag wegen Rückenschmerzen aus, so übersteigt das bereits den jährlichen Abschreibungsbetrag des Tisches deutlich.

Quellen

DAK (2014): Gesundheitsreport 2014. Die Rushhour des Lebens. Gesundheit im Spannungsfeld von
Job, Karriere und Familie., online verfügbar auf den Seiten der DAK:
http://www.dak.de/dak/download/Gesundheitsreport_2014-1374440.pdf

Hamilton, M. T., Healy, G. N., Dunstan, D. W., Zderic, T. W., Owen, N. (2008): Too Little Exercise and
Too Much Sitting: Inactivity Physiology and the Need for New Recommendations on Sedentary
Behavior, published in final edited form as: Curr Cardiovasc Risk Rep. Jul 2008; 2(4): 292–298

Isaacson, W. (2012): Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers

Spath, D, Bauer, W., Braun, M. (2011): Gesundes und erfolgreiches Arbeiten im Büro